Wir dokumentierten an dieser Stelle den Offenen Brief, den wir als Bundesverband Freier Radios am 21. März 2012 an die AöR "Offener Kanal Schleswig-Holstein" und die Gewerkschaft der Polizei Landesbezirk Schleswig-Holstein (GdP SH) gesandt haben. Adressaten waren Peter Willers, Leiter der Offenen Kanäle SH und Oliver Malchow, Vorstandsvorsitzender der GdP SH. 

 

Sehr geehrter Herr Willers, sehr geehrter Herr Malchow,

am 31. März 2012 wollen Funktionäre der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Offenen Kanal Lübeck eine ihnen genehme „Berichterstattung“ über den geschichtsrevisionistischen Naziaufmarsch und die antifaschistischen Gegenaktivitäten durchsetzen. 

Mit Ihrer Unterstützung, Herr Willers, als Verantwortlicher für die Offenen Kanäle in Schleswig-Holstein soll abermals eine kritische Berichterstattung ver - bzw. behindert werden. Zwei Polizisten, z. T. mit hochrangigen Polizeifunktionen (Polizeichef Ratzeburg, bzw. stellvertrender Vorsitzender der GdP SH)  sollen an diesem Tag im Wechsel mit – zum demokratischen Feigenblatt degradierten - freien RedakteurInnen über den Aufmarsch berichten. 

Dies würde einen beispiellosen Präzedenzfall direkter Einmischung staatlicher Exekutivorgane in die Freiheit der Presse darstellen. Rundfunk hat in einer Demokratie die Aufgabe, kritisch über die Tätigkeiten von Staatsorganen Bericht zu erstatten. Die grundgesetzlich gebotene Staatsferne des Rundfunks würde somit mit Füßen getreten. Daran ändert auch das Konstrukt nichts, dass die Sendungsmacher als "Privatpersonen" auftreten.

In diesen Übergriffen auf die Freiheit der Berichterstattung, insbesondere bei den Offenen Kanälen, erkennen wir in Schleswig-Holstein eine unrühmliche Tradition:

Bereits im Jahre 2005 wurde eine unabhängige, kritische Berichterstattung zu einem Naziaufmarsch von Ihnen als Leiter der Offenen Kanäle in Schleswig-Holstein durch nächtlichen Austausch der Schlösser verhindert, vorgeblich, weil die Polizei den OK nicht schützen konnte.

Im letzten Jahr wurde im Offenen Kanal Lübeck durch die Polizei abermals in die Berichterstattung über einen Naziaufmarsch behindernd eingewirkt. Zudem wurden Redakteur_Innen während der Ausübung ihrer Tätigkeit von sächsischen Polizeieinheiten mit einer CS-Granate beschossen.

Wir verweisen hier auch auf die Pressemitteilung der Freien Radioinitiative Schleswig-Holstein, die diesem Schreiben anhängt.

Als Bundesverband Freier Radios (BFR) nehmen wir mit großer Besorgnis zur Kenntnis, dass die staatlichen Organe in Schleswig-Holstein anscheinend die unabhängige Berichterstattung über ihr Tun unterbinden wollen. 

Zudem befremdet es uns, dass der Bürger_Innenfunk und Sie als Leiter dieses durchsichtige Spiel der Polizei aus vorauseilendem Gehorsam  mitmachen oder diese Aktivitäten sich einfügen in Umstrukturierungsmaßnahmen des OK, die weg vom demokratischen Partizipationsfunk und hin zu einem Ausbildungsfunk führen. Als Beispiel sei hier die Schließung des Studios von Radio Bad Segeberg angeführt.

Im Besonderen irritiert uns auch, dass dabei ein hochrangiger Funktionär der im DGB organisierten Gewerkschaft der Polizei Schleswig-Holstein, einer ihrer Stellvertreter Herr Malchow, diese demokratiefeindliche Medienpraxis betreiben möchte. Dies wäre zugleich ein Schlag ins Gesicht der antifaschistisch engagierten Gewerkschafter_innen. Wir erwarten deshalb eine klare Stellungnahme der schleswig-holsteinischen DGB-Gewerkschaften im Sinne des Erhalts demokratischer Medienstandards.

Wir fordern:

- die sofortige Rücknahme der Sendegenehmigung für den „Polizeifunk“

- keine weitere Behinderung von kritischer Berichterstattung durch die Polizei

- eine distanzierende Stellungnahme durch die DGB-Gewerkschaft GdP

 

Für Rückfragen dazu stehen wir gern zur Verfügung. Bitte beachten Sie die Pressemitteilung der Freien Radioinitiative Schleswig-Holstein im Anhang.

 

Jochen Lüttich

Vorstand Bundesverband Freier Radios

 

Marburg, 21. März 2012


Download: Offener_Brief_des_BFR_zum_Polizeifunk_auf_dem_Offenen_Kanal_Luebeck__2012_03_21.pdf