Am 8. Oktober 2018 fasste der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) mit mehrmonatiger Verzögerung einen Beschluss zur Vergabe der Sendelizenz für den nichtkommerziellen Radiobetrieb auf den UKW-Frequenzen 88,4 MHz in Berlin und 90,7 MHz in Potsdam. Mit diesem Beschluss wird die Sendewoche für die nächsten drei Jahre unter den Antragsteller*innen „Freie Radios Berlin Brandenburg“ (Montag-Donnerstag) und dem „88vier Radio Netzwerk Berlin“ (Freitag-Sonntag) aufgeteilt.

Unter „Freie Radios Berlin Brandenburg“ sind verschiedene Initiativen und Freie Radios zusammengefasst, die zum Teil schon seit vielen Jahren für die Möglichkeit kämpfen, in Berlin und Brandenburg Freie Radiosender etablieren zu können. Was in anderen Bundesländern zur Normalität gehört, scheint in Berlin und Brandenburg ungewollt. Das Freie Radio Potsdam, das Freie Radio Berlin, PiRadio, Colaboradio, Studio Ansage, Radio Slubfurt, Ohrfunk, Radio Pax Brandenburg, Radio Woltersdorf äußern ihren Unmut über die nicht nachvollziehbare Entscheidung der mabb in einer gemeinsamen Pressemitteilung:

 

"Dass die mabb in ihrer Presseerklärung vom 11.10.2018 von „Planungssicherheit“ schwärmt, ist irgendwo zwischen Zynismus und Frechheit einzuordnen: Mit der Entscheidung vernichtet der Medienrat de facto über Jahre etablierte Sendeplätze. Der komplette Sendetag des eigenständigen Studios „Freies Radio Berlin“ am RAW-Gelände wird gestrichen, ebenso die Sendezeiten des Blindenradioprojekts „Ohrfunk“ an den Wochenenden. 

Auch die wachsende Brandenburger Radioszene wird von der Medienanstalt mit einem Achselzucken quittiert. Fast die Hälfte der Sendezeit (rund 42%) geht nun an ein Berliner Kulturradio ohne Brandenburg-Bezug, das die Potsdamer Frequenz 90,7 MHz in seinem Antrag nicht einmal erwähnt. Bereits jetzt bespielen die Brandenburger Radios mit dem Montag beim Freien Radio Potsdam nur einen von sieben Sendetagen. Währenddessen nimmt die Zahl freier Radioprojekte in Brandenburg stetig zu. Mit Radio Slubfurt aus Frankfurt/Oder, Radio PAX aus Brandenburg an der Havel und Radio Woltersdorf etablierten sich in der jüngeren Vergangenheit weitere engagierte Freie Radios in Brandenburg.

Die Aufteilung der Frequenz zerstückelt nicht nur das runde Wochenprogramm, sondern widerspricht vor allem den Richtlinien des Medienstaatsvertrags, der eine Auswahlentscheidung des Medienrats einer zeitlichen Aufteilung deutlich vorzieht. Entsprechend ist auch die Zielstellung der Ausschreibung formuliert, die explizit einen einzigen Lizenznehmer für beide Frequenzen verlangt. Während wir die Notwendigkeit eines urbanen Kulturradios wie von reboot.fm und seinen Kooperationspartner*innen anerkennen, lehnen wir die schleichende Übernahme der nichtkommerziellen Sendefrequenz zu Lasten der über Jahrzehnte organisch und ehrenamtlich gewachsenen Freien Radios ab.

Es stellt sich die Frage, ob die institutionelle Vernetzung des „88vier-Netzwerks“ mit den Mitgliedern des Medienrats eine Erklärung für die widersinnige Abweichung von vorgegebenen Richtlinien und Kriterien darstellt. Der Vorsitzende des Medienrats, Prof. Dr. Hansjürgen Rosenbauer, ist zugleich Mitglied des internationalen Beirats des Hauses der Kulturen der Welt, in dessen Räumen reboot.fm sein Studio betreibt. Markus Beckedahl von netzpolitik.org pflegt enge Verbindungen zur transmediale, wo einer der Gründer von Cashmere Radio seine Brötchen verdient. War hier der politische Wille dieses „unabhängigen“ Gremiums einfach groß genug, den Freund*innen ein großes Stück vom Kuchen zu sichern? Hat die zeitliche Aufteilung bei der Vergabe der Sendelizenz für den nichtkommerziellen Radiobetrieb auf UKW in Berlin und Brandenburg ein Geschmäckle? Mit seiner Entscheidung diskriminiert der Medienrat jedenfalls weiterhin die Freien Radios, die bei der Medienanstalt seit jeher gegen Windmühlen für ihren Platz im Äther kämpfen."